Gero Gries


Die von Gero Gries in den letzten Jahren am Rechner generierten Bilder zeigen Räume und knüpfen damit an das Interieur als künstlerisches Genre an. Seine Raumdarstellungen basieren auf der Kombination seines Erfahrungswissens, also den Bildern, die sich vor seinem inneren Auge aus selbst Erlebtem sowie gesehenen Abbildungen mischten. Übertragen auf das 3D-Programm seines Mac und mit dem von ihm favorisierten Renderingprogramm errechnet, ergeben sie die Daten, die dann im Fachlabor auf großformatiges Fotopapier übertragen werden. Alle seine Raumansichten verblüffen ob ihrer Klarheit, Lichtfülle und ihres ausnahmslos menschenleeren Zustands. Entstanden aus Sorgfalt und Sorglosigkeit, wie Gero Gries es selbst beschreibt, widerspiegelt dieser Zustand sein Bemühen, dem Wesentlichen auf die Spur zu kommen. Formreduktion ist eines der Mittel.

Wie sich die Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Rechner ändern (und das demonstriert exemplarisch die formal-ästhetischen Besonderheiten der kameralosen Digitalbilder), macht bei ihm eine Arbeit deutlich, bei der er von der Idee des sonst für seine Bilder geltenden reinen Fantasieraumes abgewichen ist. Angezogen von der Affinität zu seinen eigenen Raumdarstellungen, ließ er sich von einer Studie des dänischen Malers Vilhelm Hammershøi inspirieren, die dieser 1906 malte. Die Interieurs dieses Malers, die thematisch den Großteil seines Œuvres ausmachen, beziehen ihre Anziehungskraft gleichfalls aus der Magie, die von den Räumen ausgeht. Da nur selten Personen auftreten, vermitteln sie einerseits etwas Klaustrophobisches, die Einsamkeit Ansprechendes und andererseits wirken sie durch die geheimnisvolle Behandlung des Lichtes. Auffällig ist das lichtdurchdrungene Fenster und die daneben gelegene, geschlossene Tür in diesem Gemälde, das exemplarisch die Arbeits- und Denkweise des Malers wiedergibt. Indem Gero Gries hier eine künstlerische Vorlage verwendet, betätigt er sich wie die Künstler in langer Tradition vor ihm, die zu allen Zeiten Werke älterer oder verstorbener Künstlerkollegen motivisch wie thematisch aufgenommen, dann aber in ihren eigenen Handschriften verändert haben. Wo Hammershøi die bedrückende Geschlossenheit des Raumes mit vermeintlicher Ausweglosigkeit durch das hereinfallende Sonnenlicht in der Stimmung bricht und dies durch malerische Akkuratesse artikuliert, wählt Gero Gries dasselbe Arrangement, aber in einer in seinem Stil ausgeformten, glatten, aber nicht minder emotional besetzten Übertragung, wie allein schon die Lichtbehandlung bezeugt.

Wie Gero Gries in diesem Interieur die ästhetischen Besonderheiten der digitalen Bildproduktion im Vergleich zur konventionellen Malerei löst, hat mit der ästhetischen Selbstvergewisserung und seinem Arbeiten generell zu tun. Vergleichbar mit dem Maler, der den Farben ihren Reiz entlocken will, spielt Gero Gries seine Möglichkeiten am Rechner aus. Aus diesem Wechselverhältnis entstanden Bilder von Swimmingpools mit reflektierenden Kacheln und Wasseroberflächen, eines Badezimmers, einer Bestuhlung mit Plastikstühlen oder eines Kühlschranks mit seinen bekannt glatten Oberflächen. Aspekte der Spiegelung, naturgemäß mit der Gestaltung des Lichts verbunden, lassen auch andere Motive erkennen, in denen Reflexionen in den Vordergrund treten. Verbunden mit der Wahl verschiedenster Texturen für die Oberflächen nutzt Gero Gries die technischen Möglichkeiten seiner Programme aus und erzielt damit Bilder in einer Klarheit, wie sie selbst mit den perfektesten Installationen in der ana-logen Fotografie unerreichbar wären. Dadurch erzielt er Bildwirkungen jenseits malerischer oder fotografischer Perfektion, nicht als Resultate des Rechners, sondern seines gestalterischen Umgangs und seines ästhetischen Anspruchs.

Enno Kaufhold

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